Cross-border divorce: jurisdiction and procedure

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Zuständigkeit in dringenden Fällen – Einstweilige Maßnahmen nach Artikel 20

 

Artikel 20 Absatz 1 – Die Gerichte eines Mitgliedstaats können in dringenden Fällen ungeachtet der Bestimmungen dieser Verordnung die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen in Bezug auf in diesem Staat befindliche Personen oder Vermögensgegenstände auch dann anordnen, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache gemäß dieser Verordnung ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist.

  • Artikel 20 versetzt ein Gericht in die Lage, einstweilige Maßnahmen und Schutzmaßnahmen anzuordnen, wenn ein Kind im jeweiligen Hoheitsgebiet gefährdet ist, die Verordnung dem Gericht aber keinen Zuständigkeitsgrund bietet, um entsprechende Maßnahmen zu treffen.
  • Die Anwendung von Artikel 20 Absatz 1 ist streng geregelt; sie ist nicht zulässig, um die normale Anwendung der Zuständigkeitsgründe gemäß der Verordnung auszuhöhlen.
  • Sie erstreckt sich auf Situationen, in denen ein Kind im Hoheitsgebiet anwesend und gefährdet ist, das Gericht aber anderenfalls nicht zuständig wäre, beispielsweise weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat.

In Rechtssache C-523/07 A [2009] Slg. I-02805 besaßen die Kinder und die Eltern die schwedische Staatsangehörigkeit, waren aber nach Finnland umgezogen, wo sie von Ort zu Ort zogen, ohne festen Wohnsitz oder Schulunterricht für die Kinder. Es erfolgte eine vorübergehende Inobhutnahme der Kinder durch die finnischen Behörden.

  • Könnte das finnische Gericht eine Inobhutnahme der Kinder anordnen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt noch in Schweden hätten? (Das heißt, wenn das schwedische Gericht nach Artikel 8 zuständig wäre?)
  • Handelte es sich bei der Maßnahme des finnischen Gerichts um eine „einstweilige Maßnahme“ und hatte sie den Charakter einer „Schutzmaßnahme“?

Rechtssache C-523/07 A [2009] Slg. I-02805 Europäischer Gerichtshof, Randnr. 47

  • „Dem Wortlaut dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass die Anordnung von Maßnahmen in Bezug auf die elterliche Verantwortung durch nicht für die Entscheidung in der Hauptsache zuständige Gerichte der Mitgliedstaaten nur zulässig ist, wenn drei kumulative Voraussetzungen, erfüllt sind: Die betreffenden Maßnahmen müssen dringend sein; sie müssen in Bezug auf Personen oder Vermögensgegenstände getroffen werden, die sich in dem Mitgliedstaat befinden, in dem das mit der Sache befasste Gericht seinen Sitz hat, und sie müssen vorübergehender Art sein.“
  • Das Kind muss sich in einer Situation befinden, die eine Gefährdung seines Wohles darstellt und Sofortmaßnahmen zum Schutz des Kindes rechtfertigt. Maßgeblich für die Form der angeordneten Schutzmaßnahme ist das nationale Familienrecht, sie muss jedoch in dem Sinne vorübergehender Art sein, dass die Maßnahme keine dauerhafte Regelung der Zukunft des Kindes bewirkt.
  • Hätten die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Finnland, könnte das finnische Gericht substanzielle Maßnahmen treffen, um die Kinder in Finnland zu schützen.
  • Hätten die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Schweden, könnte das finnische Gericht einstweilige Schutzmaßnahmen treffen, um die Kinder bis zur Befassung des schwedischen Gerichts zu schützen. Die vorübergehende Inobhutnahme der Kinder wäre eine „einstweilige Schutzmaßnahme“.